Wenn Zahnmedizin und Medizin aufeinandertreffen – 73. Kongress der DGMKG und der DGZMK

Hybride Pressekonferenz am 15. Juni: Gesichtsverletzungen bei Flüchtlingen, zahnmedizinische Versorgung von vulnerablen Menschen, Einfluss gesunder Ernährung

Juni 2023 – Zahnarztpraxen, Friseursalons und Tätowierstudios wurden zu Beginn der Coronapandemie sozusagen „in einem Topf geworfen“. „Die braucht man nicht, die machen wir zu“ – hieß es. Die politische Wahrnehmung der Zahnmedizin war also stark verbesserungswürdig – mittlerweile ist es gelungen, diese zu optimieren.  Einen Beitrag dazu leistet auch der 73. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Geschichtschirurgie (DGMKG) und der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK), der vom 14. bis zum 17. Juni 2023 in Hamburg stattfindet. Unter dem Motto „Wie viel Medizin steckt in der Zahnmedizin“ kommen mehr als tausend Expertinnen und Experten aus beiden Fachdisziplinen zusammen, um über aktuelle Themen zu diskutieren. Auf der hybriden Pressekonferenz, die am 15. Juni von 12 bis 13 Uhr stattfindet, greifen Expertinnen und Experten beider Fachgesellschaften zahlreiche aktuell relevante Themen auf, wie die gefährdete zahnmedizinische Versorgung von Menschen mit Behinderungen, schwerkranken Kindern oder Seniorinnen und Senioren sowie die Behandlung von Gesichtsverletzungen bei Flüchtlingen. Hier können Sie sich für die Online-Teilnahme akkreditieren https://register.gotowebinar.com/register/7654572783464904534

Ein besonderer Schwerpunkt der hybriden Pressekonferenz wird die Behandlung von Flüchtlingen mit Gesichtsverletzungen sein – etwa von Geflüchteten aus der Ukraine. Zwar besteht die Mehrheit der über eine Million Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet aus Frauen und Kindern, aber zum Teil werden ukrainische Soldaten mit Schuss- und Explosionsverletzungen im Gesicht oder Kieferbereich in Deutschland oder anderen Ländern behandelt. „Da die ukrainischen – im Prinzip hervorragenden – Kliniken seit Kriegsausbruch an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen, kümmern wir uns – nachdem die Erstversorgung im Heimatland erfolgt ist – beispielsweise um die funktionelle Wiederherstellung der Schluck-, Kau- und Sprechfunktion“, erläutert Professor Dr. Dr. Alexander Schramm, Ärztlicher Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie des Zentrums für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde des Universitätsklinikums Ulm. Eine besondere Herausforderung bei Gesichtsverletzungen ist die Versorgung von verletzten Augenhöhlen. Mit Hilfe von 3D-Computer-Navigation, intraoperativer Bildgebung und patientenspezifischen Implantaten und

Operationsschablonen können die Expertinnen und Experten jedoch sogar die Symmetrie eines Gesichtes wieder herstellen.

Ein weiteres Highlight der Pressekonferenz ist das Thema Sportmedizin und Ernährung bei Erkrankungen im Mund-, Kiefer-, und Gesichtsbereich sowie bei Zahnerkrankungen. Laut einer Studie der DGMKG können Patientinnen und Patienten, die nach ausgedehnten Tumoroperationen im Kopf-/Halsbereich frühzeitig und hochfrequent mobilisiert werden, schneller aus dem Krankenhaus entlassen werden und sie weisen weniger Begleiterkrankungen wie Depressionen oder Schlafstörungen auf als weniger mobile Personen. Gerade angesichts des demografischen Wandels ist dieses Thema von besonderer Relevanz: „Regelmäßiger Sport und eine gesunde Ernährung wirken sich positiv auf Lebensqualität und Lebensdauer aus und wirken effizient und kostengünstig den Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht, Diabetes und anderen Stoffwechselstörungen sowie Herz-Kreislauferkrankungen entgegen“, erklärt der DGMKG-Experte Priv.-Doz. Dr. Dr. Alexander Bartella, Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie aus Bielefeld. „Auch Krankheiten des Mund- und Kieferbereichs wie Paradontitis, Karies oder chronische Entzündungen der Mundschleimhaut werden positiv durch Sport und bewusste Ernährung beeinflusst.“

Ein weiteres aktuelles, sehr relevantes Thema, über das die Expertinnen und Experten auf der Konferenz berichten, ist die gefährdete zahnmedizinische Versorgung von Kleinkindern, Kindern und Erwachsenen mit schweren Krankheiten sowie von Seniorinnen und Senioren. Diese Personen benötigen oft eine zahnmedizinische Versorgung in Vollnarkose – die jedoch hierzulande häufig nicht ausreichend gewährleistet werden kann. „Eine Umfrage unter allen 30 zahnmedizinischen Universitätskliniken Deutschlands hat gezeigt, dass eine deutliche Mehrheit der Standorte vulnerable Patientinnen und Patienten nicht ausreichend versorgen kann“, betont Professorin Dr. Diana Wolff, Ärztliche Direktorin der Poliklinik für Zahnerhaltungskunde am Universitätsklinikum Heidelberg. „Die Wartezeiten für Behandlungen in Vollnarkose betragen demnach im Schnitt derzeit viereinhalb Monate – 2009 lagen sie noch bei drei bis vier Wochen.“

Verschiedene Ursachen führten zu der heute so dramatischen Situation: Die Zahl der vulnerablen Patientinnen und Patienten ist gestiegen – unter anderem aufgrund des demografischen Wandels. Selbstverständlich wollen die Zahnärztinnen und Zahnärzte auch die Zähne und damit die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten erhalten – und zahnerhaltende Maßnahmen wie Zahnsanierungen sind aufwändiger als das Ziehen der Zähne. Die Anzahl der Operationssäle und auch die Anzahl der Pflegekräfte ist jedoch begrenzt. „Zudem wird der Aufwand der Kliniken weder für ambulante noch für stationäre Zahnsanierungen in Narkose adäquat bezahlt. „Die strikte Trennung zwischen ambulanter und stationärer Abrechnung macht kostendeckendes Arbeiten nahezu unmöglich“, sagt Professor Dr. Dr.  Bernd Lethaus, Experte der DGMKG und Direktor der Klinik und Poliklinik für Mund, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie in Leipzig. „Momentan fallen vulnerable Gruppen deshalb sozusagen im freien Fall durch das Raster unseres Gesundheitssystems.“ Diese Patientinnen und Patienten müssten primär in Universitätskliniken

behandelt werden. Hier ist die Situation – nicht zuletzt aufgrund der Effekte der Corona-Pandemie und dem gestiegenen Kostendruck – jedoch besonders angespannt.

Die Expertinnen und Experten prangern die unhaltbaren Zustände an und wollen Politik und Öffentlichkeit für das Problem sensibilisieren. „Wir fordern eine Auflösung der Trennung zwischen ambulanter und stationärer Behandlung“, so Wolff abschließend.

****************************************************************

Pressemitteilung  als PDF herunterladen